Werbung

Artikel

Googles Monopol: Die Suche ist nur ein zweitrangiges Problem

Googles Monopol: Die Suche ist nur ein zweitrangiges Problem
Tim Vüllers

Tim Vüllers

  • Aktualisiert:

Wir lesen heutzutage viel über Googles Marktmacht. Zahlreiche Unternehmen verklagen den Konzern aus Mountain View (Kalifornien), weil dieser angeblich eigene Dienste bevorzugt. Verlage wie Axel Springer setzten zusammen mit anderen Verlagen politisch das Leistungsschutzrecht durch und erreichen am Ende doch nichts – Google ist zu mächtig.

Was in dieser Diskussion aber gerne vergessen wird, sind wir Nutzer. Denn diese Macht stammt einzig und allein aus der Masse an Google-Nutzern. Finden wir ein besseres Produkt, verliert Google alles was es hat. Der Suchmaschinenkonzern ist sich dessen bewusst und setzt daher alles daran, seine Macht zu festigen.

Ein nutzerorientierter Blick auf das Google-Monopol.

Das Blackberry-Syndrom

Ich habe vor kurzem beschlossen, einen Blackberry Passport zu kaufen. Getrieben hat mich meine Wut über das Bug-verpestete iOS 8 und mein immer gärender Hass auf Android. Seither lese ich jeden Passport-Review, den ich in die Hände bekomme und habe eine beängstigende Entdeckung gemacht: Journalisten wie Ben Woods von The Next Web beschweren sich nicht über fehlende Apps, sondern fehlende Google-Apps: Kein Google Authenticator, kein Google Keep, Google Maps, Google Drive.

Für alle diese Dienste gibt es Alternativen. Doch Woods will Google und Google will ihn.

Eine erste Erkenntnis

Google schafft es, mit innovativen Produkten eine ganze Heerschar junger Webnutzer in seinen Bann zu ziehen und in den allseits zitierten goldenen Käfig zu sperren. Die Argumente, mit denen Google dies gelingt, sind bestechend: Google-Produkte sind großartig, innovativ und kostenlos.

Für uns Nutzer ist das ein echter Gewinn, weshalb wir nur zu gerne Googles eigentliche Absichten vergessen.

Die Realität

Googles Geschäft liegt in der Suche. Und im Suchgeschäft kommt es auf zwei Sachen an: Größe und die Arbeit anderer. In seinem mehr als lesenswerten Buch The Master Switch bringt es Autor Tim Wu gelungen auf den Punkt: “Indem sich [Google] auf die Saat von Inhalten […] anderer stützt, kann sich Google auf seine zentrale Mission konzentrieren: Suche.”

Googles Monopolpläne

Google ist im Suchgeschäft schon seit geraumer Zeit eine große Nummer. In Europa kommt Googles Suchmaschine in vielen Märkten auf einen Marktanteil von 90 Prozent. In Deutschland vereinte Google im September 2014 fast 95 Prozent aller Suchanfragen in sich.

Ich hatte in Googles Lüge vom freien Android bereits darauf hingewiesen, wie Google seine Macht im Android-Markt dazu nutzt, um eigene Dienste in den Fokus zu rücken. Der Grund dafür ist ein ganz einfach: Android, Gmail, Google Docs und all die anderen Services dienen nicht, uns Nutzern die beste Software zu bringen. Diese Produkte erfüllen nur einen Zweck: Sie beschützen die Marktmacht am Suchmarkt.

Googles Strategie ist so genial wie fatal: Indem Google uns Nutzer mit innovativen Produkten nach und nach in das eigene Google Universum einsperrt, schützt es sich im Kerngeschäft vor Konkurrenten.

Der Europa-Plan

European-ParliamentSitzungssaal des EU-Parlaments. Bildquelle: Wikipedia

Das Europäische Parlament und die dort arbeitenden Lobbyisten haben das auf ihre Weise erkannt und Ende November 2014 eine Resolution verabschiedet. Dieser Beschluss ruft die EU-Kommission dazu auf, eine Abspaltung des Suchgeschäfts von anderen Geschäftsfeldern zu prüfen. Google selbst wird in der Resolution nicht mit Namen genannt, aber es ist klar: Google steht mit einem Marktanteil von 95 Prozent im Suchgeschäft im Visier der Wettbewerbshüter.

Schuld daran ist Google selbst. Denn während Produkte wie Gmail, Google Maps oder Android anderswo teure oder schlechte Produkte ersetzt haben, gilt das in anderen Geschäftsfeldern wie der Preissuche nicht.

Im Jahr 2010 reichte Stadtplandienst.de, ein Portal der Bertelsmann-Tochter Euro-Cities, beim Kartellamt Beschwerde gegen Google ein: Aus Sicht von Euro-Cities bevorzugt der Suchmaschinenbetreiber eigene Produkte in den Suchergebnissen. Das Verfahren landete am Ende bei der EU-Kommission und wurde im Februar 2014 gegen eine Selbstverpflichtung von Google eingestellt. Zu Recht, denn Google Maps ist ein erstklassiges Produkt.

Im Februar 2012 zeigte Christoph Keese auf Presseschauder.de, was es hingegen bedeutet, wenn Google ohne triftigen Grund eigene Dienste bevorzugt. Seinen Erkenntnissen nach erscheinen Suchergebnisse von Googles hauseigenem Preisvergleich vor allen anderen Preisvergleichen.

“Wir machen eine Suchmaschine für Nutzer, nicht für Web-Sites” entgegnete im Jahr 2010 Julia Holtz, Google Leiterin für Wettbewerbsrecht, auf die Anschuldigungen von Euro-Cities – Eine Aussage, die Google Deutschland zuletzt im September 2014 unterstrich: “[Es] werden die Ergebnisse angezeigt, die relevant für unsere Nutzer sind.”

Googles Irrglauben

Wie sehr Google mittlerweile in seiner eigenen Welt gefangen ist, zeigt der letzte Halbsatz: “die relevant für unsere Nutzer sind.” Als Nutzer macht mir dieser Satz Angst, weil am Ende Google bestimmt, was relevant ist – und insbesondere, was nicht. Wie sehr das bereits heute wahr ist, hat Wu in einem Positivbeispiel wie folgt beschrieben: “Dank Googles propietärem Algorithmus erscheinen Einträge der gemeinnützigen Wikipedia konsequent vor allen offiziellen Seiten, die mit dem selben Suchbegriff verbunden sind.”

Was aber hält Google davon ab, nicht dasselbe mit den eigenen Produkten zu machen? Zeigen die vergangenen Jahre nicht sogar, dass Google genau das macht?

Google hat mit allen seinen Produkten einen großen Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Gmail, Google Drive, Google Docs, Google Maps – all diese Dienste müssen kein Geld verdienen. Zwar nutzt Google auch hier Werbung und Verträge mit Geschäftskunden, um einen Teil der Entwicklungs- und Betriebskosten aufzufangen, doch das Geld kommt am Ende aus dem Suchgeschäft und finanziert so andere Dienste mit. Andere Anbieter wie Mail.com, Dropbox, Microsoft Office und Nokias Here Maps – nur um ein paar Konkurrenten zu nennen – können sich diese Quersubventionierung nicht leisten.

Die Suche ist nicht das Problem

Googles Unternehmenskultur verzerrt damit den Wettbewerb. Bleibt die Frage, wie man diese Wettbewerbsverzerrung wieder beheben kann. Aus Nutzersicht ist eines ganz klar: Die Abspaltung der Suchmaschine ist keine Lösung – sie treibt Google dazu an, in anderen Bereichen großartige Arbeit zu leisten. Ich plädiere daher für eine Art gemäßigte Regulierung.

Google ist unser Eintrittstor in das Internet, und als solches sollte uns Google die gesamte Welt des Internets bereitstellen – nicht nur die eigenen Dienste.

Über den Autor: Tim Vüllers

Apps, Smartphones, Statistik und das Internet of Things sind Themen, mit denen ich auch meine Freizeit verschwende. Bei Softonic schreibe ich hauptsächlich über Smartphone-Apps und E-Mail-Sicherheit. Meine neuste Leidenschaft: Der Datenjournalismus.

Weitere Artikel von mir

Folgen Sie mir bei Twitter @tvuellers

Tim Vüllers

Tim Vüllers

Das Neueste von Tim Vüllers

Editorialrichtlinien