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Klartext: Ausgesperrt aus dem eigenen Spiel!

Jan-Hendrik Fleischer

Jan-Hendrik Fleischer

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Jan-Hendrik Fleischer spricht KlartextDer innige Wunsch nach der perfekten Stadt zerbrach in der letzten Woche für abertausende SimCity-Fans zu einem Trümmerhaufen, als die Server dem Ansturm nicht Stand hielten. Was ist passiert? Ein unvorhersehbares Drama?

Nein, es handelt sich um systematisches Versagen, das sich wie ein Pflock durch das Spielerherz bohrt und einen trüben Ausblick auf die Spiele-Zukunft gibt.

Mittlerweile scheint die Welt fast wieder in Ordnung: Hersteller Electronic Arts hat die SimCity-Server kräftig aufgestockt und die Verbindungsprobleme um “92 Prozent reduziert“. Als Entschädigung verspricht der Hersteller obendrein allen gepeinigten SimCity-Spielern ein Gratis-Spiel aus dem hauseigenen Download-Katalog. Alles wieder gut? Nein, das eigentliche Problem bleibt unverändert.

Online-Zwang aus Angst vor Piraterie

SimCity ist ein komplexes Spiel, das Städte miteinander verknüpft und viele Daten austauscht. Das Strategiespiel ist darauf zugeschnitten, stets online gespielt zu werden. Als Always-On-Spiel reiht es sich ein in einen neuen Trend. Nicht nur die spannenden Funktionen einer komplexen Simulation wie SimCity machen Always On so attraktiv für Hersteller und Publisher. Ein entscheidender Punkt ist die Angst vor Software-Piraterie.

Always On gleicht der Ohnmacht, einen wirksamen Kopierschutz zu finden.

Ein Spiel, das ständig mit Servern kommunizieren muss, macht es Hackern schwer, Cracks zu schreiben und Raubkopien zu verbreiten. Anders formuliert: Onlinezwang ist ohne triftigen Grund nichts anderes als die Ohnmacht, einen wirksamen Kopierschutz zu finden. Dabei ist SimCity nicht allein. Ähnliche Wellen schlug das beliebte Rollenspiel Diablo 3.

Im Gegensatz zu SimCity gab es bei Diablo 3 keinen zwingenden Grund, eine permanente Onlineverbindung einzuführen. Mit etwas zeitlichem Abstand zur Veröffentlichung teilte Blizzard-Präsident Mike Morhaime im offiziellen Forum mit, Always On helfe dabei, “Mogelei und Cracks zu bekämpfen”. Geschlagen waren ehrliche Käufer des Spiels, die anfangs unter ähnlichen Problemen litten wie SimCity-Kunden: überlastete Server und Verbindungsprobleme.

Über ein weiteres wenig ruhmreiches Beispiel dieser Serie berichtet die Spieleseite Kotaku. Die Website zitiert das Statement eines Facebook-Managers von Electronic Arts Südkorea auf eine Kunden-Anfrage, warum es keinerlei SimCity-Server in ganz Asien gibt: “Es gibt viel Piraterie in Asien, weshalb es schwierig ist (Server einzurichten, Anm. d. Red.).” Die Piraterie verhindert also offizielle Server, um ehrlichen Kunden das Spiel zu ermöglichen? Verquere Logik!

Totale Abhängigkeit von Hersteller-Servern

Wie man das Blatt auch dreht und wendet, eines scheint klar: Onlinezwang ist für Spiele-Hersteller zu reizvoll, um darauf zu verzichten. Hersteller schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen verhindern sie effektiv Kopien, zum anderen trocknen sie den Handel mit Gebrauchtspielen aus.

Klartext: aus Spielen ausgesperrt

Leidtragende sind die geprellten Kunden, die sich vollkommen abhängig von Wohl und Wehe der Herstellerserver machen.

Funktionieren sie nicht, ist das Spielvergnügen vorbei. Das kann zu Stoßzeiten zu unverhofften Spielpausen führen oder das gesamte Spiel wertlos machen, denn über kurz oder lang droht jedem Online-Spiel das Aus.

Das ist keine graue Theorie. Electronic Arts informiert darüber sehr transparent. Bereits mehr als 160 Titel listet die offizielle Support-Seite als abgeschaltet oder bald eingestellt, darunter Blockbuster wie diverse FIFA- oder Need-For-Speed-Titel, Tiger Woods oder UEFA Champions League.

Betroffen waren bislang vor allem Teile eines Spiels, meist der Multiplayer-Modus. Setzt ein Spiel dagegen eine dauerhafte Online-Verbindung voraus, funktioniert es nur so lange, bis der Dienst eingestellt wird. Im Fall von SimCity wäre dies wohl fatal für die viel zitierten loyalen Fans.

Über 160 Spiele von Electronic Arts sind bereits nicht mehr online spielbar.

Wie Maxis-Managerin Lucy Bradshaw dem Spielemagazin Polygon mitteilt, verlagert SimCity viele Berechnungen in die Cloud und entlastet den PC. “Es wäre nicht möglich, das Spiel offline-fähig zu machen ohne beträchtlichen Entwicklungsaufwand in unserem Team.” So sehr sich Fans eine Offline-Version von SimCity wünschen – kommen wird sie wohl nicht.

Die Zukunft

Es ist kein Geheimnis, dass Spieleentwickler die Zukunft in Cloud-gestützten Diensten sehen. Der Trend ist plattformübergreifend und wird auch Konsolen umfassen, wie Sony mit der Einbettung des Streaming-Dienstes Gaikai in die kommende Spielkonsole Playstation 4 zeigt. Zu verlockend ist die totale Kontrolle über die Inhalte und der unkomplizierte Vertriebsweg. Selbst Spiele, die sich gut offline spielen ließen, werden großzügig mit Always On versehen – das zuvor angesprochene Diablo 3 ist das derzeit prominenteste Beispiel.

Je stärker sich die Spiele mit Cloud-Diensten vermengen, desto abhängiger werden Spieler von deren Zuverlässigkeit. Erweist sich ein Spiel dann als Flop, droht Käufern ein abruptes Spielende – vergleichbar mit einer vom einen Tag auf den anderen abgesetzten TV-Serie im Fernsehen. Während sich Spiele von Disc oder als Download auch offline spielen lassen, sieht das bei Streaming und Cloud-Spielen anders aus. Abgeschaltet ist abgeschaltet. Das Start-Problem SimCity gibt einen sehr plastischen Vorgeschmack darauf, was Abhängigkeit von Servern bedeutet.

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