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Die IT-Rumpelstilzchen

Cristina Vidal

Cristina Vidal

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Produkte zeichnen sich unter anderem auch durch ihren Namen aus. Ein guter Name suggeriert Eigenschaften, die man auf Anhieb nicht erkennt. Dementsprechend schwierig ist es, passende Produktnamen zu finden.

Die Tendenz, ganze Begriffsbereiche für Produktserien zu benutzen, hat sich inzwischen in allen Industriezweigen durchgesetzt. Manche lösen es wie Ikea. Jeder kennt die Möbel, nur wenige kennen die Herkunft der Namen, nämlich Orts- und Gewässernamen der Nachbarstaaten.

Anhand der Entwicklung der IT-Produktnamen erkennt man die unterschiedlichen Gemütszustände bekannter Unternehmen im Laufe des IT-Booms wieder. Anfangs dachte wohl niemand an einfache Ortsnamen für einen Computerchip. Wer in der Branche etwas auf sich hielt, suchte in ganz anderen Dimensionen.

Bei Intels ersten Chipsätzen herrschten hochfliegende Namen. So klangen Mercury, Neptune, Triton oder Orion nach der vollen Kraft der kosmischen Naturgewalten. Aus der heutigen Perspektive etwas bizarr für den inzwischen teilweise verrottenden IT-Schrott. Die planetarischen Chipsätze waren jeweils innerhalb weniger Monate überholt.

Die Namen der nächsten Generation von Chips und Chipsätzen zeugen von der Ernüchterung. Die Intel-internen Projektnamen folgen dem bewährten Muster des schwedischen Möbelfabrikanten.

So sind die Intel-Chips Carmel, Mendocino, Sonoma, Santa Rosa und Napa nach kalifornischen Orten spanischer Herkunft benannt worden. Die Pentium-Chipsätze dagegen laufen unter Ortsnamen englischer Herkunft, wie Grantsdale, Lakeport, Glenwood, Broadwaterterm oder Bearlake.

Das Publikum allerdings kannte immer nur Namen wie Pentium, Pentium M, I, II , III oder IV. So entstand ein Rumpelstilzchen-Effekt: Man kannte zwar den Prozessor-Namen, aber nicht die Namen der dazugehörigen Chip-Generation.

Das änderte sich erst später mit Apple. Auch bei Apple gab es Anfangs eine Freak-Phase. Der geheime Prototyp des klassischen Mac OS hieß 1992 noch “Star Trek”. Später begnügte sich Apple mit schlichten Zahlen für die Betriebssysteme Mac OS.

Heute pflegt der designbewusste Windows-Konkurrent mit der Betriebssystem-Serie Mac OS X ein Raubkatzen-Image mit Namen wie Panther, Tiger, Jaguar und Leopard. Die Systemversion 10.0 names Cheetah ist da wohl eher als Ausrutscher zu werten. Weitere Namen wie Puma und Cougar hat sich der bunte Apfel schon gesichert. Man spricht inzwischen von Panthern und Tigern, ohne immer genau zu wissen, ob es sich nun um Mac OS 10.3 oder vielleicht doch 10.5 handelt.

Von all diesem Imageproblemen lange Zeit unbehelligt eroberte Linux zunehmend Marktanteile und stieg in der Beliebtheitsskala. Viele PC-Besitzer, die selbst kein Linux nutzen, stehen dem freien System zumindest wohlwollend gegenüber. Linux hat von allen den menschlichen Aspekt im Auge behalten. Bei Linux stand beispielsweise der eigene Name des Erfinders, Linus Thorwalds, Pate . Eine weit verbreitete Linux-Distribution wurde von dem Projektleiter Ian Murdoch als Hommage an seine Freundin Debra auf den Namen Debian getauft.

Die Krönung des Ganzen ist aber die Linux-Version Ubuntu, dessen Übersetzung aus dem Afrikanischen so etwas wie Menschlichkeit oder Gemeinsinn bedeutet. Wer bietet in der freakigen IT-Welt schon mehr?

Cristina Vidal

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